lernen, Schulaufgaben

Wovon zur HÖLLE reden die?! Oder: First rescue für Dich, liebe Mutter am Rande des Nervenzusammebruchs

Im Laufe der letzten 6 Jahre ist mir so ziemlich alles wieder unter die Finger gekommen, was ich als Kind schon in der Schule stinkend langweilig fand- Pilze, Nadelbäume, Kläranlagen, Satzglieder (der, der die erfunden hat, gehört nachträglich noch zergliedert)… das volle Programm.

Und wie es der Zufall so wollte, waren all diese Themen, bei denen ich innerlich zwischen “ vor Langeweile sterben“ und “ vor Langeweile gleich sterben“ abwägen musste beim Lernen, immer, wirklich IMMER irgendein Prüfungsthema.  Und ebenso immer, wirklich immer, war genau zu dieser Zeit irgendetwas „los“- der Schwiegervater hatte einen Schlaganfall, die Katze bekam Junge, die Bienen sind geschwärmt, der Haushalt hat sich über Nacht in eine explodierte Supernova bzw. deren Reste verwandelt, der Kollege hat seine Bildungskarenz eingereicht und die Stunden mussten abgefedert werden… immer. Und immer, wirklich immer hatte ich das Gefühl, mit hängender Zunge allem gerecht zu werden -der Arbeit, dem Haushalt, der Ehe, der Schule, dem Kind, den Bienen Hühnern Hunden Katzen Gänsen.

Ich hätte damals für eine effektive Methode, wie der Stress im Schuljahr zu minimieren ist, getötet. Und weil Du vermutlich auch gerade an diesem Punkt bist, kommt hier mein Rezept- mit Zeitangabe:

1.) in den Sommerferien (jap!) oder kurz davor machst Du folgendes: du gehst auf die Seite des Kultuministeriums Deines Bundeslandes, suchst die zukünftige Klasse Deines Kindes und druckst Dir den Lehrplan an. In dem findest Du alles, was im nächsten Schuljahr so durchgenudelt wird – und Du wirst bitte auch tunlichst keinem Lehrer davon erzählen, denn dann wirst Du belehrt werden, dass so etwas total und völlig blöd ist, weil vorweggenommen und vorlernen bäbäbä.

2.) Jetzt schaust Du Dir die relevanten Fächer an und markerst mal lustig los. In der Grundschule und auch später gibt es nämlich ein paar Themen, die man tatsächlich ganz lustig mit Freizeit verbinden kann. Thema “ der Wald?“ Ab in den Wald in den Sommerferien. Thema “ altes Ägypten“ in Geschichte? Nun, dann an einem sehr heissen Tag ab ins ägyptische Museum, klimatisiert und mit einer Kindertour für 8 Euro auch noch kostenlosen anschaulichen Geschichtsunterricht mitgenommen. Thema „Mozart / Klassik in der Musik“ in Musik? (gilt besonders für musische Gymnasien)? Na, dann nix wie ab mit dem Bayernticket nach Salzburg. Und so weiter und so fort.

Vorteil: Ihr habt Spaß dabei.  Und Ihr müsst nicht hinterherhecheln wie die doofen, wenn mitten in der primetime (aka kurz vor Weihnachten) die Geschichts-Ex vor der Türe steht und man eigentlich für Latein, Mathe, Englisch, Deutsch lernen müsste. (und ja, liebe Mutter, es ist mir bewusst, dass irgendwie alle Kinder selber lernen, meist kurz nachdem sie eigenständig im Ballet waren und ein Buch über Quantenphysik gelesen äh geschrieben haben. Meine Tochter ist nicht so.) Ich muss mit ihr lernen, es hilft alles nicht. Und ich wette, Dein Kind ist auch so normal wie meines, und denkt nicht im Traum daran, eigenständig Brüche zu wiederholen und zu vertiefen, wenn das Wetter gut / schlecht/ nass / kalt/ vorhanden ist.

3.) jetzt kommt der nicht so schöne Teil: Du kaufst Dir alle Bücher, die in der entsprechenden Jahrgangsstufe verwendet werden, und die bei den online Buchhändlern  der Wahl hochgelobt werden – gibt es auch gebraucht für kleines Geld. In der Grundschule gibt es zum Beispiel Einstern und Einsterns Schwester, wirklich gute Bücher / Hefte, mit denen das Kind auch gerne lernt, denn: welche Bücher in der Schule verwendet werden, hängt nicht davon ab, welche Bücher gut sind und welche nicht – oh nein! Das sind ganz andere Entscheidungskriterien, die an den Tag gelegt werden, und die kollidieren manchmal ganz massiv mit dem, was man unter „leichtem Lernen“ verstehen könnte. (Btw. ich habe Bildungswissenschaften studiert, ich weiß wovon ich rede und ich kann es auch belegen- hilft aber hier keinem so recht weiter). Pro-Tipp: Suchbegriff flipped classroom oder inverted classroom filtern dir die Angebote, die darauf abzielen, dass der Stoff eigenständig erarbeitet werden kann.

4.) und genau zu diesen Büchern kaufst Du bitte die Arbeitshefte. Die jagst Du einmal durch den Kopierer, denn die Arbeitshefte sind heiss begehrtes Gut im Verlauf des Schuljahres, ungefähr dann, wenn alle Kinder, die sonst alles eigenständig lernen und Bücher über Quantenphysik lesen äh schreiben den ersten Warnschuss bekommen „unzureichende Noten“. Dann geht’s nämlich los, dass die Mütter losziehen und Arbeitshefte kaufen- kann man bei unserer bayerischen Kleinstadt mit 50.000 Einwohnern schön am örtlichen Buchhändler beobachten, kurz vor Notenschluss kommt nämlich immer ein dicker Schwung blitzeblanker neuer schicker Arbeitshefte, Arbeitsbücher und last rescue Schülerhilfen in die Regale, nebst freundlichen Emails von der örtlichen Schülerhilfe “ jetzt noch Zeugnis retten für nur 800 Euro und die Seele des erstgeborenen Enkels“.

5.) Pro-Tip für die Hartgesottenen unter uns: Zauberwort „Lehrerhandreichungen“. Sollte es Dir möglich sein, einen Stempel einer Schule zu ergattern, die Dir die Berechtigung attestiert, Lehrerhandreichungen zu kaufen, kauf sie um Himmels willen! In der Grundschule sind die Aufgaben noch schnell im Kopf mitzuarbeiten, aber glaube mir, selbst mit dem großen Latinum in der Tasche und einer zugegeben krankhaften Fixierung auf alles, was „logisch“ ist (also auch Latein) bekomme ich bei der ein oder anderen Hausaufgabe die Krise – und von Deutsch spreche ich gar nicht erst, denn dieses Fach läuft bei mir ( unter anderem einer besonders inniglichen Beziehung zwischen mir und der Deutschtante  geschuldet manche nennen es blanken Hass und ja, das gibt es!) unter “ was zur Hölle wollen die von mir“ bzw „lasst mich mit dem Scheiss in Ruhe“. Jetzt fragst Du Dich vermutlich, ob man die Lehrerhandreichungen (mit den Lösungen für die Aufgaben im Buch, höhö) denn dafür benutzen soll, dass das Kind immer perfekte Hausaufgaben im Heft stehen hat- das kannst du tun, ja. Ich sehe das dezidiert anders. Meiner Meinung nach sollten die Hausaufgaben genau so abgegeben werden, wie sie bearbeitet werden, fehlerhaft und voller Hinweise, dass der Stoff nicht verstanden wurde, denn nur dann sieht die Lehrkraft, dass Vertiefungsbedarf besteht. Ob das in der Praxis tatsächlich so gehandhabt wird – ich weiss es nicht (Anmerkung: Bullshit ich weiss es nicht – in der fünften Klasse schlich sich eine Aufgabe aus der Statistik mit Lerninhalten der 8en Klasse ins Buch ein. Die Mathelehrerin hat sich einen Spaß daraus gemacht, diese Aufgabe aufzugeben. Seltsamerweise hatten die Kinder die richtige Lösung, oder zumindest irgendeine Lösung im Heft stehen. Auf Nachfrage, wer das alleine gelöst habe, meldeten sich alle (!) Kinder. Auf Nachfrage, wie sie diese Aufgabe, die eigentlich für die 8e Klasse gedacht gewesen wäre, gelöst hätten, konnte exakt 1 Kind die richtige Antwort geben, die da lautete „meine Mutter hat es mir erklärt“. Dieses Kind war meine Tochter. Seitdem glaube ich auch nicht mehr an „macht alle Hausaufgaben selber“ und seitdem hat diese Lehrerin bei mir einen Stein im Brett).  Ich persönlich nutze die Lehrerhandreichungen meist dazu, dem Kind die ein oder andere Hilfestellung zu geben, wenn es total „hängt“ oder, und das weitaus öfter, als Übungsquelle für die Vorbereitung für die Schulaufgaben und somit als Abgleich zum Sollzustand, ohne, dass ich mühsam übersetzen muss, dass Gaius und Claudia beim Wagenrennen für die roten sind und der Wagenlenker ein besonders waghalsiger Fahrer ist -sieh her. (*Anmerkung: ich bin Mitte 40 und es interessiert mich nicht die Bohne, von mir aus jubeln die auch für Juventus Turin).

6.) Highend pro Tip, und ich würde Dich bitten, das nicht an die große Glocke zu hängen: es gibt im Internet einen wundervollen Ort. Ein Ort, an dem fleissige Lehrer aus allen Bundesländern in alle Fächern ihre Schulaufgaben, Exen, Kurzarbeiten, Unterrichtsentwürfe und Arbeitsblätter den Kollegen (hier wird es kniffelig) zur Verfügung stellen- meist nebst Lösungsvorschlag. Problem: an diesen Ort kommt nur, wer den berühmt berüchtigten Schulstempel hat. Wenn Du ihn nicht hast, kommst Du leider nicht umhin, Dir jemanden zu suchen, der Dir das Türchen öffnet. Das Prinzip dort ist einfach: man bekommt 300 Startpunkte, die man zum runterladen von Arbeiten / Materialien verbraten kann. Weitere Punkte erhält man nur, wenn man selbst etwas beiträgt. Ich gebe zu, fair geht anders, aber es hilft ja nichts, Fairness hilft Dir auch nicht, wenn Du in Unterwäsche vor Deinem Kleiderschrank sitzt und weinst und immer wieder sagst “ ich kann nicht mehr ich kann nicht mehr ich kann nicht mehr“. (Quelle: eigene Erfahrung). Es gibt dort Vorschauen, die kopierst Du mit der rechten Maustauste und fügst sie in ein Worddokument ein. Dort wir die Kopie als Bild behandelt und kann vergrößert werden und auch ausgedruckt- und voila- hier hast Du deine idealen Vorbereitungseinheiten.  Nicht schön, ich gebe es zu, aber effektiv.

https://www.schulportal.de/

7.) und schlimmstens, denn Du wirst (wie ich auch) innerlich zornen und sofort sagen „Ferien sind nicht zum Lernen da!!“- Du wirst leider in den Ferien all das, was Du jetzt mühsam zusammengesammelt hast, dazu verwenden, mit Deinem Kind vorzulernen. Und zwar so weit wie es geht (deshalb auch die Lehrerhandreichungen und Arbeitshefte!). Ich weiss, dass das allem widerspricht, was Du fühlst, denkst, meinst. Es widersprach exakt 5 Jahre all dem, was ich fühlte, dachte, meinte. Und irgendwann saß ich vor dem Schrank, in Unterwäsche (kein schöner Anblick im Übrigen), weinte und weinte und weinte und weinte, weil mir alles zu viel war- die Schule, die Schulaufgabentaktung, die Arbeit, die Tiere, der tägliche Kampf um Attraktivität (misslungen), Essen kochen, putzen, Haushalt machen, Hund rausgehen, Schwiegervater ins Heim umziehen, komplizierte Beziehung zu meinen Eltern (die als Großeltern KOMPLETT ausfallen)- einfach alles, es war alles zu. viel. Da habe ich gemerkt, dass ich, wenn ich weiterhin auf Zuruf arbeite („oh Gott, Latein. nicht gelernt, Vokabeln abfragen.. nächste Woche Matheschulaufgabe und Deutschschulaufgabe, Deadline für mein Skript für meine Vorlesungen, morgen 5 Stunden mit dem Zug hin zur Schulung und 5 Stunden zurück, Hund muss noch raus, was machen die Bienen, die Hühner, die Gans, Schwiegervaters Essen muss auch noch gekocht werden bis morgen…“) ich niemals, never ever auch nur eine Sekunde Luft haben werde, von Zeit ganz zu schweigen. Da habe ich verstanden, dass man vorkochen muss und vorlernen muss. Um an diesem einen Tag, an dem man (sprich ich) am Boden vor dem Schrank sitzt folgendes sagen zu können: “ Essen ist in der Tiefkühltruhe und Hausaufgaben schreibst Du heute aus der Lehrerhandreichung ab, den Stoff kannst Du ja schon, ich bin in der Sauna. PUNKT!“

8.) Besonderheit Jahrgangsstufentest: ha. ha. HA!. Die (sorry) Verarsche des Jahres. Was hört man da von den Lehrern, man möge JA nicht auf diese Jahrgangsstufentests lernen, und man solle das Kind völlig unvorbereitet in die Test schicken, es sei ja eh nur mehr so eine Bestandserhebung und aus dem Stand zu bearbeiten, easy peasy breezy. Jetzt hör mal zu, liebe Mutter, wenn Du das in Deinem Bundesland auch hast: die Dinger sind so anders gestaltet, dass das Kind sich erst mal zurecht finden muss. UND: je nach Schule gelten die Biester als Schulaufgabe. Geh Dir (ich glaube es ist deutschlandweit der Starkverlag, lustigerweise damals unser Nachbar) die gesammelten Jahrgangsstufentests in Buchform kaufen, und zwar bitte noch VOR den Sommerferien. Warum? Tja, seltsamerweise waren nämlich in der ersten Sommerferienwoche im gesamten Hugendubel in München und im Thalia in Rosenheim und im Pustet nur noch exakt 2 Exemplare vorrätig. Kannste mal sehen, Ferien sind Freizeit…..

So, liebe Mutter am anderen Ende des Internets, das war erst mal das First rescue. Du kannst jeden Punkt auch mitten im Jahr abarbeiten, wichtig ist, dass Du klug genug bist, aus meinen Fehlern zu lernen und Dir und Deinem Kind einen Puffer erarbeitest, weit bevor man ihn braucht. Und, um Himmels willen – ja, bester Schulleiter der Welt (dazu später), wenn Sie das hier lesen: ich weiss, dass Sie immer in die Hefte schreiben „Nicht vorlernen“. Aber, bester Schulleiter der Welt – es hilft nichts. Manchmal ist das Leben hart und manchmal muss man einfach tun, was man tun muss.

Over and out.